Donnerstag, 16. März 2023
Ende
Alle Beiträge zum ESC 2023 sind ermittelt, und ich stelle beim Sichten fest, dass der Wettbewerb und ich wie ein altes Ehepaar sind, das bei den Vorbereitungen zur Goldenen Hochzeit merkt, dass es sich auseinandergelebt hat – es bestehen nur noch wenige Gemeinsamkeiten. In diesem Fall ist eine Trennung vernünftiger als ein Zusammenbleiben um jeden Preis.

Tatsächlich war es 1974, als ich erstmals einen kompletten ESC im Fernsehen verfolgte – davor hatte ich schon viel darüber gehört, war aber zu jung, um so lange wach zu bleiben. Seitdem habe ich jede Ausgabe verfolgt, teils mit dutzenden Besuchern zuhause, teils sogar live vor Ort, immer mit Enthusiasmus, der aber in den letzten Jahren merklich nachließ.

Ich habe einige Zeit in der Musikbranche gearbeitet und dabei gelernt, Musik unabhängig von meinem eigenen Geschmack zu bewerten. Wer meine Einträge aus den letzten Jahren verfolgt hat, sieht, dass meine Einschätzungen oft recht treffsicher waren. Meine persönlichen Favoriten landeten dabei oft ziemlich abgeschlagen auf den hinteren Plätzen.

In diesem Jahr hat dieser Effekt allerdings eine andere Qualität: Es gibt eine Reihe von Liedern, zu denen mir einfach der Zugang fehlt. Wir passen einfach nicht zueinander, was keinerlei Beurteilung sein soll. Ich maße mir nicht an, sie als gut oder schlecht zu bewerten. Ich habe wieder einen Favoriten, der aber in allen Umfragen und Wettquoten keine Rolle spielt – ich kann es gern verraten, es ist der Beitrag aus Malta. Natürlich gibt es Beiträge, die meiner Einschätzung nach einfach nur schlecht gemacht sind. Aber tatsächlich empfinde ich mehrere Lieder nur als eine Aneinanderreihung von Geräuschen. Vermutlich handelt es sich um Kunst, und ich bin ein Kunstbanause.



Ich habe mich daher entschlossen, an dieser Stelle mit meiner Leidenschaft, mit meiner Obsession, Schluss zu machen.

Ich merke immer mehr, dass ich zu den Leuten gehöre, die behaupten, früher sei alles besser gewesen. Tatsächlich wünsche ich mir den ESC zurück, der bis Mitte der 1990er abgehalten wurde. Live-Orchester, keine Halbfinalrunden, kompletter Live-Gesang und vor allem kein Televoting. Wie kam man nur auf die Idee, Horden von inkompetenten Dilettanten über das Ergebnis abstimmen zu lassen?

Ich verabschiede mich daher von den Lesern dieses Blogs. Die Seite https://eurovisionhistory.blogger.de/ werde ich voraussichtlich weiter pflegen.

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Donnerstag, 20. Oktober 2022
Teilnehmer 2023
Am 20.10.2022 veröffentlichte die veranstaltende EBU eine Teilnehmerliste für den ESC 2023. Diese ist als vorläufig zu verstehen; aus verschiedenen Gründen können einzelne Länder noch zurückziehen oder auch vom Wettbewerb ausgeschlossen werden. Auch besteht die Möglichkeit, dass Länder, die noch nicht auf der Liste stehen, nachgemeldet werden.

Angekündigt wurden:

1. Albanien
2. Armenien
3. Australien
4. Aserbaidschan
5. Belgien
6. Dänemark
7. Deutschland
8. Estland
9. Finnland
10. Frankreich
11. Georgien
12. Griechenland
13. Irland
14. Island
15. Israel
16. Italien
17. Kroatien
18. Lettland
19. Litauen
20. Malta
21. Moldau
22. Niederlande
23. Norwegen
24. Österreich
25. Polen
26. Portugal
27. Rumänien
28. San Marino
29. Schweden
30. Schweiz
31. Serbien
32. Slowenien
33. Spanien
34. Tschechien
35. Ukraine
36. Vereinigtes Königreich
37. Zypern

Gegenüber dem Wettbewerb 2022 fehlen also Bulgarien, Montenegro und Nordmazedonien. Rückkehrer oder Neulinge wurden nicht gemeldet. Da sechs Länder (Titelverteidiger Ukraine und die 'Big 5', die größten Beitragszahler) für das Finale gesetzt sind, müssen also aus 31 Ländern in den Halbfinalrunden die restlichen 20 Teilnehmer ermittelt werden.

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Mittwoch, 12. Oktober 2022
ESC 2023 - ESC 1973
2023 soll der ESC im Vereinigten Königreich stattfinden, und zwar am 9.5., 11.5. und 13.5.; es ist dann das neunte Mal, dass er dort ausgetragen wird. Gastgeberstadt soll zum ersten Mal Liverpool sein.

Die Briten sprangen ein, weil die Ukraine, die den Wettbewerb 2022 gewonnen hat, aufgrund des Krieges nicht in der Lage ist, eine derartige Großveranstaltung zu organisieren und für die Sicherheit zu garantieren. Ein solches Vorgehen war in den frühen Jahren des ESC nicht unüblich, und so ist das Vereinigte Königreich schon zum fünften Mal Gastgeber, ohne Vorjahressieger zu sein; zuletzt war dies 1974 der Fall, damals gewannen ABBA - ein gutes Omen?

50 Jahre zuvor, 1973, fand die deutsche Vorentscheidung in Frankfurt am Main statt. Anders als im Vorjahr war der Hessische Rundfunk wieder allein verantwortlich, und auch das Konzept wurde geändert. Diesmal wurden sechs etablierte Künstler eingeladen - zwei Frauen, zwei Männer und zwei gemischte Duos - die jeweils zwei Lieder vortrugen, die von verschiedenen Autoren geschrieben wurden. Am Start waren Gitte, die ihren Durchbruch bereits zehn Jahre zuvor hatte, als sie mit "Ich will 'nen Cowboy als Mann" die Deutschen Schlagerfestspiele gewann, Tonia, die 1966 mit Platz 4 das bis dahin beste ESC-Ergebnis für ihr Heimatland Belgien erzielte, die Duos Cindy & Bert und Inga & Wolf, die beide im Vorjahr an der Vorentscheidung teilgenommen hatten, sowie die erfolgreichen Interpreten Michael Holm ("Mendocino") und Roberto Blanco ("Ein bisschen Spaß muss sein"). Angesichts der Prominenz dieser Künstler ist es erstaunlich, dass lediglich die Lieder von Gitte (die damals noch ohne ihren Nachnamen Hænning auftrat) kommerziell erfolgreich wurden. Mit "Junger Tag" gewann wie die Vorentscheidung, "Hallo, wie geht es Robert?" wurde als Single-Rückseite davon veröffentlicht und ein Radiohit.





Der internationale ESC fand am 7. April 1973 in Luxemburg statt, das Land hatte den Wettbewerb im Vorjahr gewonnen. Er wurde von Helga Guitton moderiert, die den Radiohörern als "Helga von Radio Luxemburg" bekannt war. Der größte Star unter den Teilnehmern kam wieder einmal aus dem Vereinigten Königreich; Cliff Richard hatte seine ersten Erfolge bereits in den 1950ern, und er hatte das Land bereits beim ESC 1968 vertreten. Damals scheiterte er um einen Punkt und wurde Zweiter, diesmal schnitt er sogar noch einen Platz schlechter ab. Dennoch wurde "Power to all our friends" in vielen Ländern ein Erfolg.



Ironie des Schicksals? Karma? Wie schon fünf Jahre zuvor lag der spanische Beitrag einen Platz vor Cliff Richard, und 1973 hatten die Mocedades mit "Eres tú" den größten kommerziellen Erfolg des Jahres, was vor allem an hohen Verkaufszahlen in Lateinamerika lag.



Am ESC 1973 nahm erstmals ein Lied aus Israel teil, was die Organisatoren vor einige Herausforderungen stellte, das Attentat während der Olympischen Spiele, bei dem mehrere israelische Sportler und Delegationsmitglieder ermordet wurden, lag nur wenige Monate zurück. So wurden die Kameras aller Fotografen streng überprüft, das Publikum durfte auch zum Applaus nicht aufstehen, um nicht für Attentäter gehalten zu werden, und die Interpretin Ilanit trug, genau wie ihre Dirigentin Nurit Hirsh, eine kugelsichere Weste. "Ey-sham" belegte Platz 4.



Moment mal - Dirigentin? Tatsächlich wurde 1973 das Orchester erstmals von einer Frau geleitet, und das gleich in zwei Fällen, denn auch beim schwedischen Beitrag bediente eine Dirigentin, nämlich Monica Dominique, den Taktstock. In den 43 Jahren, in denen es beim ESC ein Live-Orchester gab, gab es nur insgesamt vier Dirigentinnen - die Hälfte davon 1973.

Schweden profitierte von einer Neuregelung; von 1973 an durfte jeder Beitrag in einer beliebigen Sprache vorgetragen werden, bis 1972 war nur eine der jeweiligen Landessprachen erlaubt. Von dieser Änderung machten in diesem Jahr aber nur die drei
nordischen Länder Gebrauch und erzielten allesamt überdurchschnittliche Ergebnisse: Schweden landete auf Platz 5, Finnland auf Platz 6 und Norwegen auf Platz 7.

Neben dem Neuling Israel gab es auch zwei Abgänge gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen, Österreich und Malta nahmen nicht teil, sodass noch 17 Lieder am Start waren.

Zwei Künstler, die beim ESC 1973 ziemlich wenig Beachtung fanden, hatten einige Jahre später internationalen Erfolg: Patrick Juvet, der die Schweiz vertrat, sang Ende des Jahrzehnts Disco-Hits wie "Got a feeling" oder "I love America", und Martine Clémenceau, die für Frankreich sang, war die Originalinterpretin von "Solitaire", das 1981, auch in Coverversionen beispielsweise von Laura Branigan, Séverine und Milva, weltweit ein Erfolg wurde. Autor des niederländischen Beitrags war übrigens Pierre Kartner, der später als "Vader Abraham" bekannt wurde.

Für Belgien sang das Duo Nicole & Hugo. Die beiden waren schon 1971 als Interpreten vorgesehen, mussten aber wegen einer Erkrankung Nicoles kurzfristig absagen. 1973 waren sie am Start und belegten mit "Baby, Baby" den letzten Platz. In Erinnerung blieben sie nicht wegen ihres Liedes, sondern wegen ihrer Kleidung und ihrer Choreographie.



Der Sieg des Abends ging an die Gastgeber; die Französin Anne-Marie David sang für Luxemburg "Tu te reconnaîtras". Luxemburg gewann den Wettbewerb zum vierten Mal.



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