Freitag, 24. April 2020
ESC 2021 - ESC 1971
Der Stadtrat von Rotterdam hat entschieden, dass die Stadt auch für einen ESC 2021 zur Verfügung steht, als Termine wurden der 11.5. und der 13.5. für die Halbfinalrunden und der 15.5. für das Finale festgelegt. Diese Daten sollten allerdings eher unter Vorbehalt gesehen werden, niemand kann heute schon sagen, ob im nächsten Jahr wieder Großveranstaltungen stattfinden können. Die Entscheidung war auch auf Druck der veranstaltenden EBU notwendig geworden, weil der Stadt auch den abgesagten Wettbewerb 2020 hohe Kosten entstanden waren, die dann zusätzlich zu den Beträgen für 2021 fällig werden. So entsteht eine Planungssicherheit für alle Beteiligten – wenn der ESC ausgetragen werden kann. Bereits jetzt steht etwa ein Dutzend der teilnehmenden Künstler fest, die jeweiligen Fernsehanstalten geben den Sängerinnen und Sängern, die für den diesjährigen ESC vorgesehen waren, eine zweite Chance. Die kommenden Monate werden Aufschluss darüber geben, ob und wie die Planungen weitergehen.

Beim Wettbewerb 50 Jahre zuvor, also 1971, spielte das Corona-Virus keine Rolle, trotzdem gab es auch damals eine Direktnominierung, nämlich beim Deutschen Fernsehen. Der damals verantwortliche Hessische Rundfunk war von dem dritten Platz, den Katja Ebstein im Vorjahr erzielt hatte, so angetan, dass er die Sängerin fragte, ob sie noch einmal antreten wollte, was diese bejahte. Fünf Autorenteams wurden gebeten, Lieder zu schreiben, die Katja Ebstein dann vorstellte und die von einer Jury bewertet wurden. Sieger wurde „Diese Welt“, Komponist war Dieter Zimmermann, Texter war Fred Jay. Bemerkenswert war, dass in diesem Jahr bereits ungefähr ein Jahrzehnt vor den Demonstrationen der Ökobewegungen und der Gründung der Partei „Die Grünen“ die Zerstörung der Umwelt thematisiert wurde – im Text heißt es „Rauch aus tausend Schloten senkt sich über Stadt und Land, wo noch gestern Kinder warn, bedeckt heut Öl den Strand.“



Den zweiten Platz belegte „Alle Menschen auf der Erde“, das von dem Team geschrieben wurde, das auch für den Vorjahrestitel „Wunder gibt es immer wieder“ verantwortlich zeichnete.



Den internationalen ESC richtete der Vorjahressieger, das irische Fernsehen, aus; Veranstaltungsort war das Gaiety Theater in Dublin. Im Vorfeld mussten die Verantwortlichen einige Probleme lösen. Zunächst war da das Wertungssystem; im Vorjahr hatten mehrere Länder aus Protest dagegen den ESC boykottiert, für 1971 wurde ein völlig neues System erdacht: Nunmehr waren aus jedem Teilnehmerland zwei Juroren vor Ort anwesend, die jedem Beitrag (außer dem eigenen) mindestens einen und höchstens fünf Punkte gaben. Die Wertung war öffentlich, sodass die Zuschauer verfolgen konnten, wie sich die Rangfolge entwickelte. Auch an diesem Verfahren gab es Kritikpunkte, so wurde gemutmaßt, dass Favoriten ihren Mitbewerbern absichtlich wenige Punkte geben könnten, um so möglicherweise die Konkurrenz auf Abstand zu halten. Damals traf dieses Verfahren aber auf Zustimmung, sodass alle im Vorjahr Abtrünnigen zurückkamen, zudem nahm Malta erstmals teil.

Und noch eine, bis heute gültige, Regeländerung trat in Kraft: Nunmehr durften bis zu sechs Personen auf der Bühne sein, egal in welcher Funktion. Bislang waren nur Solisten und Duos zugelassen, nunmehr konnten auch Gruppen antreten, möglich waren auch Tänzer, Instrumentalisten, Chorsänger oder sonstige Statisten. Diese Neuerung wurde allerdings nur zögerlich angenommen; Schweden entsandte eine vierköpfige Gruppe, die Schweiz ein Trio, alle anderen Länder blieben bei einem oder zwei Interpreten, meist verstärkt durch einen kleinen Chor.

Bei den Schweizern handelte es sich um Peter, Sue und Marc. Es war der erste von vier Auftritten, die das Trio bis 1981 absolvierte; bemerkenswert ist, dass sie für ihre Lieder jedes Mal eine andere Sprache wählten. 1971 entschieden sie sich für Französisch und besangen die Illusionen ihrer 20 Jahre („Les illusions de nos vingt ans“), was dem damaligen Alter von Sängerin Sue Schell entsprach. Sie belegten Platz 12.



Deutschland und damit Katja Ebstein belegte, wie im Vorjahr, den dritten Platz; der Sieg ging erstmals an Monaco. Die Französin Séverine überzeugte die Jurys mit dem Lied „Un banc, un arbre, une rue“. Wie damals üblich, veröffentlichte die Sängerin den Titel in mehreren Sprachen; die deutsche Version „Mach die Augen zu und wünsch dir einen Traum“ gefiel dem Produzenten und Komponisten Jack White so gut, dass er die Sängerin unter Vertrag nahm; sie war daraufhin mit Stimmungsliedern wie „Jetzt geht die Party richtig los“ oder „Ja, der Eiffelturm“ in der ersten Hälfte der 1970er Jahre sehr erfolgreich. In ihrer Heimat hingegen schaffte sie den großen Durchbruch nicht, und das monegassische Fernsehen war über den Sieg so wenig erfreut, dass es die Sängerin, die das Land nach eigenem Bekunden bis dahin noch nicht besucht hatte, nicht einmal einlud. Monaco sah keine Möglichkeit, den ESC 1972 auszurichten; dieser fand daraufhin in Edinburgh statt.



Zum Abschluss meiner kleinen Retrospektive möchte ich auf die norwegische ESC-Vorentscheidung 1971 zurückblicken. Seit 1990 gilt die Regel, dass die Interpreten mindestens 16 Jahre alt sein müssen, vorher gab es keine Altersbegrenzung. So trat in Norwegen wenige Tage vor ihrem zehnten Geburtstag Anita Hegerland an und forderte ein Zebra; sie belegte Platz 4. In Deutschland hatte sie ein paar Monate später im Duett mit Roy Black großen Erfolg; in „Schön ist es, auf der Welt zu sein“ besang sie aber andere Tiere, namentlich eine Biene und ein Stachelschwein.

... comment