Mittwoch, 3. Februar 2021
Mögliche Szenarien
Die EBU, der veranstaltende Fernsehsender NOS und die sonstigen Organisatoren des ESC 2021 haben heute noch einmal bekräftigt, dass der Wettbewerb in jedem Fall stattfinden wird. Wie allerdings die genauen Bedingungen sind, steht noch nicht fest - in mehr als einem Vierteljahr können sich die äußeren Rahmenbedingungen, insbesondere eventuelle Beschränkungen durch das Corona-Virus, noch ändern. Fest steht allerdings, dass die Veranstaltung nicht wie sonst üblich, also in einer voll besetzten Halle, ausgetragen wird. Drei Variationen sind denkbar, die Anzahl der Zuschauer vor Ort schwankt hierbei zwischen 0% und 80%, ebenso ist es fraglich, ob die Künstler vor Ort anwesend sind oder ihre Beiträge eingespielt werden - für alle Fälle müssen bis zum 26.3. Live-Videos eingereicht werden, die dann gegebenfalls verwendet werden. Auch die Frage, wie stark die Pressedelegationen sein können und ob es Rahmenveranstaltungen gibt, wird erst später entschieden.

Sicher ist eben nur, dass der Wettbewerb nicht, wie im Vorjahr, ausfällt, und dass mit allen denkbaren Szenarien gearbeitet wird.

Mittlerweile hat der Februar begonnen, traditionellerweise der Monat, in dem die meisten Vorentscheidungen ausgetragen werden. Da aber viele Länder entschieden haben, die Künstler zu nominieren, die auch 2020 angetreten wären, und die Beiträge deshalb intern nominieren oder in kleinem Kreis auswählen, ist die Anzahl der entspechenden Veranstaltungen in diesem Jahr deutlich geringer als sonst.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 4. Dezember 2020
ESC 2021 nimmt Formen an
Die Organisatoren in Rotterdam arbeiten in dieser Saison unter erschwerten Bedingungen, weil unsicher ist, in welcher Form der Wettbewerb stattfinden kann - eine reguläre Durchführung, also mit tausenden von Zuschauern, erscheint immer mehr unwahrscheinlich, auch ist nicht sicher, ob die Künstler persönlich vor Ort anwesend sein können oder ob ihre Auftritte, live oder als Aufzeichnung, übertragen werden müssen; auch eventuelle Reise- und Quarantänebestimmungen spielen hier eine Rolle. Nach 2020 hat das Covid-19-Virus also auch den ESC 2021 unter Kontrolle.

Das niederländische Fernsehen muss also diverse Eventualitäten in Betracht ziehen und möglicherweise auch kurzfristig umdisponieren; allerdings scheint festzustehen, dass der Wettbewerb 2021, anders als sein Vorgänger, tatsächlich stattfindet - wie auch immer. Aus diesem Grunde wurde jetzt das offizielle Logo veröffentlicht; wie im Vorjahr lautet der Slogan "Open up", und die zugehörige Grafik soll symbolisieren, dass die Teilnehmer aus allen Richtungen zusammenkommen, zusammen sind sie ein "Wir". Als Zentrum dieser Darstellung wurde der Austragungsort Rotterdam gewählt.



Noch in diesem Monat, im Dezember, findet traditionell das Festivali i Këngës statt, das als albanische ESC-Vorentscheidung fungiert. Der Siegertitel wird allerdings noch bearbeitet und oft ins Englische übersetzt, um den Eurovisions-Regeln und -Ansprüchen zu entsprechen. Danach werden auch die weiteren der nach momentanem Stand 41 Teilnehmerländer ihre Beiträge ermitteln, bis Mitte März 2021 werden alle feststehen. Was genau dann folgt, kann noch niemand wissen.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Montag, 26. Oktober 2020
Wieder 41
Wie die EBU meldet, haben sich für den ESC 2021 exakt die Länder angemeldet, die auch 2020 teilnehmen wollten. Ob und wie der Wettbewerb stattfindet, kann in Corona-Zeiten niemand voraussagen, aber eine erste Zahl steht somit im Raum - wie ich an der gleichen Stelle vor einem Jahr schon anmerkte, kann sich auch bei der Zahl 41 noch einiges ändern, beispielsweise wenn ein Land aus politischen Gründen absagt. Übrigens haben nach heutigem Stand 19, also knapp die Hälfte, der Teilnehmer wieder die Interpreten nominiert, die auch 2020 gesungen hätten.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Montag, 15. Juni 2020
Vorentscheidungen
Wie die EBU und die niederländischen Veranstalter bekannt gaben, soll der ESC 2021 eine Woche später als ursprünglich angenommen, nämlich am 22.5.21 (Halbfnalrunden am 18.5. und am 20.5.) stattfinden - wenn es das Covid 19-Geschehen und sonstige unvorhergesehene Unannehmlichkeiten zulassen. Viele Länder haben, wie bereits erwähnt, die für dieses Jahr vorgesehenen Interpreten auch für die kommende Ausgabe des Wettbewerbs nominiert, sodass es in der anstehenden Saison relativ wenige klassische Vorentscheide geben wird.

Ich habe diese nationalen Auswahlen insbesondere in den Jahren, in denen das Internet mit seinen Übertragungsmöglichkeiten neu für mich war, sehr intensiv verfolgt, habe aber davon immer mehr abgelassen, nachdem die Halbfinalrunden eingeführt wurden und so die Zahl der Teilnehmer immer größer wurde, zumal in nicht wenigen Ländern auch noch Vorrunden abgehalten werden - konkret begann meine "heiße Phase" knapp vor der Jahrtausendwende und ebbte ab 2007 immer mehr ab.

Selten erhalten Lieder, die in den nationalen Vorentscheidungen scheitern, trotzdem internationale Beachtung. Selbst beim in einem früheren Beitrag erwähnten "Ring Ring" von ABBA (damals noch Björn & Benny, Agnetha & Frida) sind Abstriche zu machen, weil das Lied außerhalb Schwedens erst eine gewisse Popularität bekam, nachdem die Gruppe auch dort bekannt war.

1983 gab es eine kuriose Vorentscheidung in den Niederlanden: Drei Interpreten sangen jeweils drei verschiedene Lieder, am Ende entschied eine Jury, welche der möglichen Kombinationen das Land international vertreten sollte. Sie entschieden sich gegen "Fantasie Eiland", das kurz darauf in der englischen Version "Fantasy Island" ein Hit für die britische Gruppe Tight Fit wurde.





Ebenfalls kurios ist die Geschichte des nächsten Liedes: 2003 nahm die Gruppe Vanilla Ninja mit "Club Kung Fu" an der estnischen ESC-Vorentscheidung teil und belegte den letzten Platz. Ein Jahr später starteten sie ihre internationale Karriere, in deren Rahmen das Lied auch außerhalb Estlands als Single veröffentlicht wurde und immerhin zwei Wochen in den deutschen Verkaufslisten vertreten war.



In Deutschland wurden insbesondere in den 1960ern und 1970ern Lieder aus den Vorentscheidungen kommerzielle Erfolge, auch wenn sie nicht gewinnen konnten - Heidi Brühl erreichte 1960 mit "Wir wollen niemals auseinandergehn" sogar Platz 1 der Verkaufsliste, 1969 war Peggy March mit "Hey (das ist Musik für mich)" erfolgreich, 1972 hatten Inga & Wolf mit "Gute Nacht, Freunde" ihren einzigen Hit; im selben Jahr ersangen sich Cindy & Bert mit "Geh die Straße" ihren Durchbruch. Drei Jahre später kam Jürgen Marcus mit "Ein Lied zieht hinaus in die Welt" bis Platz 3 der Verkaufslisten und landete somit vier Ränge vor Marianne Rosenberg und ihrem "Er gehört zu mir" - trotzdem ist es dieses Lied, das am meisten, auch wegen einiger Wiederveröffentlichungen, in der kollektiven Erinnerung blieb. Noch heute können viele Menschen den Text mitsingen.



Ich möchte noch einige Vorentscheidungslieder vorstellen, die zwar außerhalb ihres Landes keine großen Hits wurden, die mir aber gut gefielen - es sind auch relativ neue Titel dabei, auf die ich von Bekannten dankenswerterweise hingewiesen wurde - wie gesagt, ich verfolge diese Wettbewerbe nur noch am Rande.

Ich möchte mit zwei Liedern aus dem Jahr 2000 beginnen. In Spanien sang Raúl das, was ich für den Prototyp eines Latino-Popsongs halte: Er belegte mit "Sueño su boca" den zweiten Platz.



Ein paar hundert Kilometer nordöstlich, in Dänemark, kam Sanne Gottlieb mit "Uden dig" auf Platz 3.



Die schwedische Vorentscheidung 'Melodifestivalen' ist national so etwas wie eine Institution, viele der Teilnehmertitel erreichen die Spitzenplätze der Verkaufslisten. Ich habe mir ein Lied aus dem Jahr 2005 ausgesucht; die Gruppe Alcazar hatte einige Zeit vorher auch international mit "Crying at the discotheque" einen Hit, bei der Vorentscheidung versuchten sie es mit "Alcastar".



Auch nach fast 40 Jahren bekomme ich immer noch gute Laune, wenn ich das Lied "Een beetje van dit" höre. Vulcano belegten bei der niederländischen Vorentscheidung 1983 den zweiten Platz.



Bleiben wir in den Niederlanden: 1998 kamen Nubia mit "Ze kwamen overzee" auf Platz 4.



Kommen wir zu den aktuelleren Liedern: 2019 nahm "J'ai pas le temps", gesungen vom Duo Lautner, an der französischen ESC-Vorentscheidung teil, erreichte aber nicht die dortige Finalrunde - vielleicht wegen einiger stimmlicher Unzulänglichkeiten.



Ich habe mit ein paar Kuriositäten begonnen, und so möchte ich auch enden. Ebenfalls 2019 nahm ein komplett auf deutsch gesungenes Lied an der estnischen Vorentscheidung teil. "Wo sind die Katzen?", gesungen von Kaia Tamm, erreichte aber ebenfalls nicht das nationale Finale.



Aktualisierung: Ich habe zu diesem Thema noch zwei Fortsetzungen geschrieben, zu finden sind sie hier https://klausmusik.blogger.de/stories/2775213/ und hier https://klausmusik.blogger.de/stories/2778184/.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Montag, 18. Mai 2020
Erste Vorschau auf 2021
Vor zwei Tagen hätte der ESC 2020 stattfinden sollen, und wir wüssten jetzt, wer der Sieger ist - sehr viele Ereignisse werden in diesen Tagen im Konjunktiv II artikuliert. Stattdessen sendete die ARD ein Mammutprogramm - eine selbst produzierte Show ohne Publikum, bei der immerhin vier der designierten ESC-Interpreten live auftraten, mit etwas zeitlicher Verzögerung ein gesamteuropäisches Projekt ohne Wettbewerbscharakter aus den Niederlanden, und zum Abschluss noch einmal in voller Länge den ESC 2010, den Deutschland bekanntlich gewann. Hierfür ein dickes Dankeschön an alle Verantwortlichen, die es schafften, mehr ESC-Material zu senden als an einem normalen Contest-Abend.

Bei der (sterbenslangweiligen) Ersatzshow aus Hilversum (nein, nicht aus Rotterdam) wurde die Lokalität für 2021 bestätigt, und das wirft nicht nur bei mir Fragen auf. Die Niederlande haben bis auf Weiteres alle Großveranstaltungen untersagt - und eine solche ist der ESC ohne Zweifel. Meiner Meinung nach gibt es in den Schubladen der Verantwortlichen bereits Ersatzpläne für eine eventuelle erneute Absage - vielleicht eine Art Videokonferenz oder Auftritte ohne Publikum. Von beiden Möglichkeiten würde ich übrigens dringend abraten, der ESC ist eine Veranstaltung, die von ihrem Publikum vor Ort lebt, und wie absurd Fußballspiele ohne Torjubel wirken, zeigt gerade die Bundesliga.

Aber selbst wenn es einen regulären Song Contest 2021 geben sollte, wäre er, insbesondere was die Vorbereitungen angeht, alles andere als normal. 18 (Stand heute) der diesjährigen Teilnehmer haben bereits bestätigt, dass die diesjährigen designierten Interpreten auch 2021 antreten sollen. Es ist anzunehmen, dass viele der entsprechenden Lieder intern ausgewählt werden; konkrete Pläne für Vorentscheidungen mit mehreren Künstlern (und oft auch mit mehreren Runden) gibt es insbesondere in Nordeuropa, wo diese Sendungen eine Art Kultcharakter haben - insbesondere "Melodifestivalen" in Schweden ist eine Institution geworden.

Zu den 18 genannten Ländern gehört Deutschland übrigens nicht, obwohl Ben Dolic bereits signalisierte, dass er auch im nächsten Jahr wieder bereit wäre. Nach seinem Auftritt bei der ARD-Show würde ich NDR und ARD allerdings dringend raten, von seiner Direktnominierung abzusehen. Ich liebe das Lied nach wir vor, und erfreulicherweise (und völlig verdientermaßen) wird es im Radio nach wie vor oft gespielt. Auf der Bühne wirkte Ben allerdings mehr als verloren, was nur zu einem kleinen Teil am fehlenden Publikum lag. Er wirkt einfach viel jünger als er ist, was durch seine hohe Stimme noch untermalt wird. Neben den Tänzern auf der Bühne sah er aus wie ein Pfadfinder, der bei der Geburtstagsfeier seiner älteren Schwester verbotenerweise durch den Türschlitz späht, und seine Intention, mit einer der Damen zu flirten, wurde erst zum Schluss klar, als sich die beiden corona-regelkonform auf Abstand anlächelten. Auch hier sah Ben aus wie ein Junge, der Mutti bittet, ausnahmsweise erst um 20 Uhr ins Bett gehen zu müssen. Amouröse, gar (wie im Text impliziert) schmutzige Gedanken nehme ich ihm beim besten Willen nicht ab.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Bühnenauftritt einen wesentlichen Teil der Bewertung ausmacht, und dass schon Nuancen dazu führen können, dass ein vermeintlicher Favorit wesentlich schlechter abschneidet als erwartet. Aktuell denke ich da an den Italiener Francesco Gabbani 2017, der vielleicht zu siegessicher war und etwas zu arrogant wirkte - Platz 6 war da schon eine Niederlage. Oder, um in Deutschland zu bleiben, an Corinna May 2002, deren Blindheit international nicht bekannt gegeben werden sollte (um keinen Mitleidseffekt zu erzielen) und deren Bewegungen für unvoreingenommene Zuschauer unbeholfen und befremdlich wirkten. Sie wurde im Vorfeld im erweiterten Kreis der potenziellen Sieger gehandelt, am Ende reichte es nicht einmal für die Top 20. Die Wichtigkeit der Bühnenpräsenz ist übrigens auch der Grund, warum ich meine Prognosen immer erst kurz vor dem Wettbewerb abgebe, wenn ich die Einzelproben gesehen habe.

Mein Vorschlag für 2021 wäre also: Gern dieselben Autoren, aber bitte ein anderer Künstler. Sorry, Ben.

Ich denke, wir werden in den nächsten Monaten noch einige Meldungen zum ESC bekommen - vielleicht erfreuliche, vielleicht überraschende, vielleicht enttäuschende. Jedenfalls wird uns der Konjunktiv II weiter begleiten.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 24. April 2020
ESC 2021 - ESC 1971
Der Stadtrat von Rotterdam hat entschieden, dass die Stadt auch für einen ESC 2021 zur Verfügung steht, als Termine wurden der 11.5. und der 13.5. für die Halbfinalrunden und der 15.5. für das Finale festgelegt. Diese Daten sollten allerdings eher unter Vorbehalt gesehen werden, niemand kann heute schon sagen, ob im nächsten Jahr wieder Großveranstaltungen stattfinden können. Die Entscheidung war auch auf Druck der veranstaltenden EBU notwendig geworden, weil der Stadt auch den abgesagten Wettbewerb 2020 hohe Kosten entstanden waren, die dann zusätzlich zu den Beträgen für 2021 fällig werden. So entsteht eine Planungssicherheit für alle Beteiligten – wenn der ESC ausgetragen werden kann. Bereits jetzt steht etwa ein Dutzend der teilnehmenden Künstler fest, die jeweiligen Fernsehanstalten geben den Sängerinnen und Sängern, die für den diesjährigen ESC vorgesehen waren, eine zweite Chance. Die kommenden Monate werden Aufschluss darüber geben, ob und wie die Planungen weitergehen.

Beim Wettbewerb 50 Jahre zuvor, also 1971, spielte das Corona-Virus keine Rolle, trotzdem gab es auch damals eine Direktnominierung, nämlich beim Deutschen Fernsehen. Der damals verantwortliche Hessische Rundfunk war von dem dritten Platz, den Katja Ebstein im Vorjahr erzielt hatte, so angetan, dass er die Sängerin fragte, ob sie noch einmal antreten wollte, was diese bejahte. Fünf Autorenteams wurden gebeten, Lieder zu schreiben, die Katja Ebstein dann vorstellte und die von einer Jury bewertet wurden. Sieger wurde „Diese Welt“, Komponist war Dieter Zimmermann, Texter war Fred Jay. Bemerkenswert war, dass in diesem Jahr bereits ungefähr ein Jahrzehnt vor den Demonstrationen der Ökobewegungen und der Gründung der Partei „Die Grünen“ die Zerstörung der Umwelt thematisiert wurde – im Text heißt es „Rauch aus tausend Schloten senkt sich über Stadt und Land, wo noch gestern Kinder warn, bedeckt heut Öl den Strand.“



Den zweiten Platz belegte „Alle Menschen auf der Erde“, das von dem Team geschrieben wurde, das auch für den Vorjahrestitel „Wunder gibt es immer wieder“ verantwortlich zeichnete.



Den internationalen ESC richtete der Vorjahressieger, das irische Fernsehen, aus; Veranstaltungsort war das Gaiety Theater in Dublin. Im Vorfeld mussten die Verantwortlichen einige Probleme lösen. Zunächst war da das Wertungssystem; im Vorjahr hatten mehrere Länder aus Protest dagegen den ESC boykottiert, für 1971 wurde ein völlig neues System erdacht: Nunmehr waren aus jedem Teilnehmerland zwei Juroren vor Ort anwesend, die jedem Beitrag (außer dem eigenen) mindestens einen und höchstens fünf Punkte gaben. Die Wertung war öffentlich, sodass die Zuschauer verfolgen konnten, wie sich die Rangfolge entwickelte. Auch an diesem Verfahren gab es Kritikpunkte, so wurde gemutmaßt, dass Favoriten ihren Mitbewerbern absichtlich wenige Punkte geben könnten, um so möglicherweise die Konkurrenz auf Abstand zu halten. Damals traf dieses Verfahren aber auf Zustimmung, sodass alle im Vorjahr Abtrünnigen zurückkamen, zudem nahm Malta erstmals teil.

Und noch eine, bis heute gültige, Regeländerung trat in Kraft: Nunmehr durften bis zu sechs Personen auf der Bühne sein, egal in welcher Funktion. Bislang waren nur Solisten und Duos zugelassen, nunmehr konnten auch Gruppen antreten, möglich waren auch Tänzer, Instrumentalisten, Chorsänger oder sonstige Statisten. Diese Neuerung wurde allerdings nur zögerlich angenommen; Schweden entsandte eine vierköpfige Gruppe, die Schweiz ein Trio, alle anderen Länder blieben bei einem oder zwei Interpreten, meist verstärkt durch einen kleinen Chor.

Bei den Schweizern handelte es sich um Peter, Sue und Marc. Es war der erste von vier Auftritten, die das Trio bis 1981 absolvierte; bemerkenswert ist, dass sie für ihre Lieder jedes Mal eine andere Sprache wählten. 1971 entschieden sie sich für Französisch und besangen die Illusionen ihrer 20 Jahre („Les illusions de nos vingt ans“), was dem damaligen Alter von Sängerin Sue Schell entsprach. Sie belegten Platz 12.



Deutschland und damit Katja Ebstein belegte, wie im Vorjahr, den dritten Platz; der Sieg ging erstmals an Monaco. Die Französin Séverine überzeugte die Jurys mit dem Lied „Un banc, un arbre, une rue“. Wie damals üblich, veröffentlichte die Sängerin den Titel in mehreren Sprachen; die deutsche Version „Mach die Augen zu und wünsch dir einen Traum“ gefiel dem Produzenten und Komponisten Jack White so gut, dass er die Sängerin unter Vertrag nahm; sie war daraufhin mit Stimmungsliedern wie „Jetzt geht die Party richtig los“ oder „Ja, der Eiffelturm“ in der ersten Hälfte der 1970er Jahre sehr erfolgreich. In ihrer Heimat hingegen schaffte sie den großen Durchbruch nicht, und das monegassische Fernsehen war über den Sieg so wenig erfreut, dass es die Sängerin, die das Land nach eigenem Bekunden bis dahin noch nicht besucht hatte, nicht einmal einlud. Monaco sah keine Möglichkeit, den ESC 1972 auszurichten; dieser fand daraufhin in Edinburgh statt.



Zum Abschluss meiner kleinen Retrospektive möchte ich auf die norwegische ESC-Vorentscheidung 1971 zurückblicken. Seit 1990 gilt die Regel, dass die Interpreten mindestens 16 Jahre alt sein müssen, vorher gab es keine Altersbegrenzung. So trat in Norwegen wenige Tage vor ihrem zehnten Geburtstag Anita Hegerland an und forderte ein Zebra; sie belegte Platz 4. In Deutschland hatte sie ein paar Monate später im Duett mit Roy Black großen Erfolg; in „Schön ist es, auf der Welt zu sein“ besang sie aber andere Tiere, namentlich eine Biene und ein Stachelschwein.

... link (0 Kommentare)   ... comment