Sonntag, 15. Mai 2022
Nach dem Finale 2022
Ich habe die kompletten Top 5 des ESC 2022 richtig getippt, wenn auch nicht in richtiger Reihenfolge - damit habe ich nicht gerechnet, ich war so unsicher wie selten zuvor.

Die Ukraine hat gewonnen - zunächst mein herzlicher Glückwunsch, bei mir bleibt allerdings aus den Gründen, die ich schon in einem früheren Eintrag dargelegt habe, ein bitterer Beigeschmack. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Land den Wettbewerb im nächsten Jahr ausrichten wird, zum einen aus Kosten-, zum anderen aus Sicherheitsgründen. Außerdem werden viele Leute (zu denen ich auch gehöre) immer denken, dass der Sieg nicht aufgrund des Liedes, sondern als Zeichen der Solidarität geschah. Um diese zu bezeugen, gibt es andere und wesentlich effektivere Möglichkeiten; insgesamt glaube ich, dass mit diesem Ergebnis niemandem geholfen ist.

Bei der an den Contest anschließenden Pressekonferenz wurden übrigens ähnliche Bedenken geäußert, aber mit eher nichtssagenden Phrasen beantwortet. Die Band wiederholte die Absicht, den ESC 2023 in der Ukraine auszurichten, ich würde nicht darauf wetten.

Sei es wie es sei, nachdem im vergangenen Jahr Italien und Frankreich die beiden ersten Plätze belegten, haben in diesem Jahr zwei weitere der Big 5 gut abgeschnitten: das Vereinigte Königreich belegte Rang 2, das beste Ergebnis seit 1998, und Spanien Rang 3, besser war es zuletzt 1995.

Deutschland belegte - wie fast immer in den letzten Jahren - einen der letzten Plätze, diesmal sogar den allerletzten. Hierbei wurde sicher auch die Startnummer unmittelbar hinter der Ukraine zum Verhängnis, aber ich habe schon vorher angemerkt, dass das Lied für den Wettbewerb einfach nicht geeignet war. Ich hoffe sehr, dass Malik trotzdem seinen Weg gehen wird, er zeigte in den letzten Wochen viel Talent und eine sehr positive Ausstrahlung.

In meine persönliche Playlist habe ich schon vor Wochen die Beiträge aus Italien (Platz 6) und aus Frankreich (Platz 24) aufgenommen, ich höre beide oft und weiterhin gern, und ich werde jetzt das Lied aus dem Vereinigten Königreich hinzufügen.

Ich bin gespannt, wie die Entwicklung in den nächsten Wochen und Monaten aussieht (es gibt aktuell Diskussionen um eventuell politische Äußerungen eines Mitglieds der ukrainischen Band, zudem wurden wegen Auffälligkeiten drei Jurys disqualifiziert); ich werde mich wie gewohnt zu gegebener Zeit äußern.

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Freitag, 13. Mai 2022
Tipp fürs Finale 2022
Es ist soweit, ich muss mich entscheiden - und ich bin nach wie vor ratlos. Die Ukraine wird als großer Favorit gehandelt, aber ich habe schon in einem früheren Beitrag geschrieben, dass ich bezweifle, dass man dem Land mit einem Sieg einen Gefallen täte, zumal die Band bei einem Interview bereits die Bereitschaft signalisiert hat, den Wettbewerb in diesem Fall auch tatsächlich auszurichten. Möchten wir wirklich einer vom Krieg gebeutelten Nation auch noch die Kosten für eine Unterhaltungsshow aufbürden? Wäre die Sicherheit für die Delegationen, Journalisten und Gäste für einen angemessenen Preis zu gewährleisten? Ich habe meine Zweifel.

Von den ebenfalls hoch gehandelten Mitbewerbern treten relativ viele früh an, was normalerweise eine eher schlechte Ausgangssituation ist - aber was ist in diesem Jahr schon normal? Und einige der Lieder, die ich im Vorfeld zu den Favoriten gezählt habe, zeigten eher mäßige Auftritte - und auch die Qualität der Präsentation kann Punkte kosten, wie in den Halbfinalrunden die Damen aus Österreich, Malta und Zypern erfahren mussten.

Nein, ich habe mich entschlossen, die Ukraine nicht auf Platz 1 zu setzen. Dort landet bei mir stattdessen Sam Ryder aus dem Vereinigten Königreich, der erstens den günstigen Startplatz 22 hat und mich bei seinen bisherigen Auftritten zudem zweitens durch Professionalität, seine außergewöhnliche Stimme und seine sympathische Ausstrahlung überzeugt hat. Für eine (positive) Überraschung könnte auch Konstrakta aus Serbien sorgen, deren verkopft wirkendes permanentes Händewaschen viele positive Reaktionen gezeigt hat. Die Italiener, im Vorfeld meine Favoriten, zeigen, was ich bisher gesehen habe, nicht den Siegeswillen und den Enthusiasmus, der ihnen den Sieg beim Sanremofestival gebracht hat, und auch den Franzosen und den Norwegern könnte die relativ frühe Startnummer zum Verhängnis werden. Fällt die fröhliche Nummer aus Moldau zwischen den eher ruhigen Liedern aus Island und Schweden genügend auf, um viele Punkte zu sammeln? Oder gibt es sogar einen Sieger (oder zumindest Spitzenplatz), den ich gar nicht auf der Rechnung habe?

Augen zu und durch - mit großer Unsicherheit tippe ich auf folgende Top 5:

1. Vereinigtes Königreich
2. Ukraine
3. Serbien
4. Spanien
5. Schweden

Vermutlich liege ich so weit daneben wie schon lange nicht mehr.

Deutschland bekam die scheinbar gute Startnummer 13, das ist die letztmögliche Position derjenigen Teilnehmer, die die erste Starthälfte gezogen haben. Allerdings tritt unmittelbar davor die Ukraine auf, und ich fürchte, dass sich der gesamte Kontinent auch nach Ende der Darbietung noch über dieses Lied unterhalten wird, sodass Malik aus Deutschland wenig Beachtung geschenkt wird. Zudem sehe ich sowieso kaum Beiträge, die eine schlechtere Bewertung bekommen könnten - vielleicht die Schweiz. Ich prognostiziere für "Rockstars" deshalb Platz 24, so leid es mir für Malik, der eine wirklich gute Figur abgibt, tut.

Kurz nach dem Finale erkläre ich dann, warum meine Einschätzung völlig falsch war.

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Freitag, 13. Mai 2022
Nach dem zweiten Halbfinale 2022
8/10 - ich habe im zweiten Halbfinale etwas schlechter getippt als im ersten. Ich habe, wie auch öfter in den Vorjahren, den Eindruck, dass stimmliche Unzulänglichkeiten gnadenlos bestraft werden, wie im ersten Durchgang schon bei den Österreichern - diesmal sangen die Malteserin (die ich sowieso nicht auf der Rechnung hatte) und die Zyprerin (oder heißt es Zypriotin? Die Dame aus Zypern jedenfalls) ziemlich daneben, und die von mir nicht getippten Herren aus Aserbaidschan und Australien waren sehr stimmsicher, sodass sie sich qualifizieren konnten. Michael aus Israel disqualifizierte sich selbst spätestens, als er zu Beginn der Stimmabgabe den Selbstdarsteller heraushängen ließ, was außer ihm vermutlich niemand lustig fand.

Ich warte noch auf eine Erklärung, warum das Trio Il Volo als Pausenact nur zu zweit auftrat - ihre neu abgemischte zweisprachige Version von "Grande Amore" gefiel mir deutlich weniger als das Original.

Sobald die Startreihenfolge im Finale feststeht, werde ich meinen Tipp für das Finale abgeben - und ich bin, nachdem ich alle Halbfinalisten und ausschnittsweise auch alle gesetzten Finalisten gesehen habe, ratloser denn je. Aber mehr dazu zu gegebener Zeit.

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Mittwoch, 11. Mai 2022
Nach dem ersten Halbfinale 2022
9/10 - ich bin mit meinem Tippergebnis zufrieden. Die Qualifikation der Schweiz ist für mich eine große Überraschung, ich finde das Lied nach wie vor eher langweilig, und die Darbietung trug zu diesem Eindruck ebenfalls bei. Schade, dass Ronela aus Albanien beim Finale nicht mitmachen darf, aber ich denke, sie hatte auch so viel Spaß - ich habe ihre teils irrwitzige Kleidung beim türkisen Teppich und bei anderen Veranstaltungen gesehen, sie erinnerte mich ein wenig an Senhit im vergangenen Jahr.

Ich war beim portugiesischen Auftritt ein wenig irritiert, Maro wirkte linkischer als Salvador Sobral und bewegte sich unbeholfen wie Corinna May, irgendetwas schien sie zu stören. Sie hat die Qualifikation geschafft, sollte es tatsächlich ein Problem gegeben haben, hoffe ich, dass es bis zum Finale behoben ist.

Das an sich gute österreichische Lied wurde - leider wie erwartet - zu Tode aufgeführt. Nach mehreren gescheiterten Versuchen sollten sich alle Länder merken, dass ein DJ, der albern und wahllos an irgendwelchen Knöpfen hantiert und so agiert, als müsse er Urlaubsgäste am Ballermann animieren, freundlich gesagt überflüssig ist, und dass eine Sängerin beim ESC zumindest ein Talent haben sollte: Sie sollte singen können.

Ein dickes Lob an die Moderatoren, insbesondere an Mika, der den Abend auch problemlos allein leiten könnte, und an Diodato für seinen bewegenden Auftritt. Hätte der ESC 2020 stattgefunden, Italien hätte auch damals einen der vorderen Plätze belegt.

Im zweiten Halbfinale geht es weiter, und mittlerweile bin ich ratloser als je zuvor, wer den Gesamtwettbewerb gewinnen könnte - aber dazu demnächst mehr. Bis dann!

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Samstag, 7. Mai 2022
2022: Finalisten
Die Startreihenfolge der "Big 5", der gesetzten Finalisten, wird erst nach dem zweiten Halbfinale ermittelt, lediglich Italien als Gastgeber bekam schon die 9 zugelost. Meine Einschätzungen daher in alphabetischer Reihenfolge:

Deutschland
Malik Harris "Rockstars"

Der NDR beauftragte im Wesentlichen Musikredakteure der angeschlossenen Rundfunkstationen mit der Auswahl der Lieder für die deutsche Vorentscheidung, und diese entschieden sich natürlich für Radiopop in ent umgrenzten Facetten. Nun ist dieser Musikstil, wie ich schon mehrfach anmerkte, nur bedingt für den ESC tauglich, aber nicht nur deshalb wird Malik kein leichtes Spiel haben. Alle anderen gesetzten Finalisten sind in diesem Jahr sehr stark, und die schwächeren anderen Titel sind bereits in den Halbfinalrunden ausgeschieden. Ich denke, seine Chance ist, den gesprochenen Teil so intensiv wie möglich vorzutragen, weil er dadurch tatsächlich so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal bekommt.



Frankreich
Alvan & Ahez "Fulenn"

Frankreich überrascht immer wieder, nach einem typischen Chanson im Vorjahr folgen elektronische Beats mit folkloristischen Anleihen in bretonischer Sprache. Mich überzeugt diese Mischung, und vor allem Alvans Charisma lässt mich glauben, dass wieder ein sehr guter Platz möglich ist.



Italien
Mahmood & Blanco "Brividi"

Ich habe beschlossen, weder Superlative noch Schwärmereien anzuwenden, deshalb sage ich nur, dass ich bei diesem Beitrag wirklich nichts finde, das man irgendwie verbessern kann.



Spanien
Chanel "SloMo"

In den vergangenen Jahren versuchten mehrere Interpretinnen aus dem Südosten des Kontinents, mit Latino-Rhythmen und entsprechenden Choreographien, dazu passend auch mit spanischen Liedertiteln, ihr Glück, und insbesondere Zypern war 2019 mit 'Fuego' auch sehr erfolgreich. Wenn man so will, folgt auf diese Kopien in diesem Jahr das Original, Chanel überzeugt durch ihre tänzerischen Fähigkeiten genauso wie durch ihre Ausstrahlung, und ich könnte mir gut vorstellen, dass Spanien die bisher beste Platzierung in diesem Jahrtausend erzielt (bisher Rang 6 2002).



Vereinigtes Königreich
Sam Ryder "Space man"

Ein Mitfavorit aus dem Vereinigten Königreich - was im 20. Jahrhundert die Regel war, gab es schon viele Jahre nicht mehr. Jetzt ist es wieder soweit, Sam Ryder, insbesondere bei TikTok-Nutzern schon sehr populär, versucht, mit einer spektakulären Bühnenshow und einer außergewöhnlichen Stimme ganz weit vorn zu landen, und die Chancen stehen nicht schlecht dafür.



Tatsächlich halte ich es für möglich, dass vier der 'Big 5' unter den Top 10 des Contests landen, präzisieren möchte ich meinen Tipp nach Festlegung der Startnummern für das Finale, also kurz vor dem Wettbewerb. Die Halbfinalrunden können beginnen, und ich schließe mich den Moldauern an und sage 'Hey ho, let's go!'

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Freitag, 6. Mai 2022
Zweites Halbfinale 2022
1. Finnland
The Rasmus "Jezebel"

The Rasmus hatten 2003 mit "In the shadow" einen internationalen Hit, danach wurde es außerhalb Finnlands ruhiger um sie. Jetzt melden sie sich in ähnlichem Stil zurück, eingängiger Rock, wie er schon vor Jahrzehnten gehört wurde - ich denke, diese Musik ist zeitlos und wird nach wie vor ihre Anhänger haben. Und vielleicht ist die Fangemeinde der Gruppe auch nach fast zwei Jahrzehnten noch groß genug. Wissen diese womöglich auch, ob der Regenmantel eine tiefere Bewandtnis hat?



2. Israel
Michael Ben David "I.M"

Michael präsentiert eine perfekte Choreographie und einen selbstbewussten Text. Auf mich wirkt der Beitrag etwas zu glatt, aber vermutlich ist genau das die Absicht. Ich möchte etwas später im Zusammenhang mit dem rumänischen Beitrag einen Vergleich anstellen.



3. Serbien
Konstrakta "In corpore sano"

Serbien bringt in diesem Jahr einen der ungewöhnlichsten Beiträge. Repetitive, oft eher gesprochene, musikalische Stücke werden optisch entsprechend untermalt, und der Text erweckt, obwohl er auf Serbisch gehalten ist, Neugier - was soll der lateinische Titel? Und was hat Meghan Markle damit zu tun? Dieser Beitrag fällt aus der Reihe, und das ist beim ESC schon mal ein Vorteil.



4. Aserbaidschan
Nadir Rustamli "Fade to black"

Wieder einmal hören wir eine vollkommen durchschnittliche Ballade, gesungen von einem durchaus talentierten Sänger, die allerdings nicht im Ohr bleibt. Zudem wirkt die gesamte Darbietung auf mich, trotz der Choreographie, zu gewöhnlich, auch, was das Bühnenkostüm angeht. Ich glaube nicht, dass sich dieses Lied von der Konkurrenz absetzen kann.



5. Georgien
Circus Mircus "Lock me in"

Da ist es - mein 'Guilty Pleasure' in diesem Jahr, Georgien kümmert sich nicht um den Geschmack der anderen Länder, sondern zieht sein Ding durch, in diesem Jahr auch unter größtmöglicher Geheimhaltung der Identität der Protagonisten - hierfür meinen größten Respekt. Allerdings bezweifle ich, dass der Beitrag sonderlich viele Anhänger finden wird. Das Bühnenbild kann man negativ als wirr oder positiv als besonders bezeichnen; in jedem Fall polarisiert dieser Beitrag, und das ist schon mal nicht das Schlechteste.



6. Malta
Emma Muscat "I am what I am"

Malta führte eine Vorentscheidung durch, aber der gewählte Beitrag kam bei den Buchmachern nicht gut an, und so entschied sich Emma, ihn gegen ein anderes Lied auszutauschen - das wiederum wenig Resonanz hervorrief. Wäre ich schadenfroh, aber das bin ich nicht, daher auch hier die Feststellung, dass es sich um ein 'Stört-nicht-beim-Bügeln-Lied' handelt, das ebenso schnell vergessen ist, wie es gehört wurde. Da helfen auch die Animationsrufe, die in diesem Jahr erstaunlich oft zu hören sind, nichts.



7. San Marino
Achille Lauro "Stripper"

Achille hat schon mehrfach am Sanremo-Festival teilgenommen, so auch in diesem Jahr, allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. Den hatte er beim kleinen Nachbarn San Marino, und ein ganzes Heer von Autoren, dessen Anzahl nicht wesentlich unter der Einwohnerschaft des Landes liegt, schrieb ihm ein italienisches Lied mit willkürlich eingesprenkelten englischen Vokabeln, bei denen sich 'Cowboy' auf 'Sex toy' reimt. Kann man machen, muss man aber nicht.



8. Australien
Sheldon Riley "Not the same"

Ist das Kunst? Wenn ja, ist sie mir zu hoch. Sheldon ist ein Stimmakrobat, auf mich wirkt diese allerdings eher wir die Sturzgeburt bei einem Koala. Das Lied wurde offenbar darauf zugeschnitten. Und was bitte soll das Geschmeide vor dem Gesicht (im Videoausschnitt hält er es in der Hand)? Vermutlich bin ich ein Banause, aber mich erreicht das Lied überhaupt nicht.



9. Zypern
Andromache "Ela"

Immerhin präsentiert Zypern nicht einen erneuten Aufguss von "Fuego", dafür gibt es weichgespülte griechische Klänge. Bei einem Glas Retsina am Mittelmeerstrand würden sie mir vermutlich gefallen, beim ESC wirken sie auf mich allerdings zu farblos und zu austauschbar.



10. Irland
Brooke "That's rich"

Kompletter Durchschnitt, was Komposition, Text, Darbietung und Sängerin angeht - mehr möchte ich gar nicht sagen.



11. Nordmazedonien
Andrea "Circles"

Andrea stimmt einen leicht klagenden Ton an, fast scheint sie zu flehen, offenbarhofft sie auf Mitgefühl. Allerdings wiederholt sie ihre Strophen immer wieder, sodass sich ein gewisser Ermüdungseffekt breitmacht. Zudem ist die Darbietung auch optisch nicht sonderlich abwechslungsreich.



12. Estland
Stefan "Hope"

Wenn ich die Augen schließe, befinde ich mich in einem Kino der 1980er Jahre, und vor dem Hauptfilm läuft eine epische Werbung für ein Tabakprodukt. Und obwohl ich seit Jahrzehnten Nichtraucher bin, überkommt mich das Verlangen nach einer Marlboro. Wenn ich hinsehe, bin ich allerdings im Hier und Jetzt, Stefan schafft es, dem Lied einen zeitgemäßen Anstrich zu geben. Nur der Hintergrund erinnert noch an meine Fantasien. Ein gelungener Auftritt.



13. Rumänien
WRS "Llámame"

Llámame - so hieß der spanische Beitrag 1962, und er bekam keinen einzigen Punkt. WRS (sprich: Urs) möchte 60 Jahre später natürlich mehr erreichen. Der flamboyant wirkende Sänger macht sich Gedanken, was passiert, wenn seine Umwelt 'es' erfährt, und singt daher lieber in genuscheltem Englisch. Um ganz sicher zu gehen, bittet er im Refrain sein Bebébé sogar auf Spanisch, sich bei ihm zu melden. Ist bei so viel Verfolgungswahn der ESC wirklich der geeignete Platz? Ich habe schon beim israelischen Beitrag gesagt, dass ich gewisse Parallelen sehe, auch hier gibt es eine ausgefeilte Choreographie. Anders als Michael wirkt WRS allerdings nahbarer, was ihm im Zweifelsfall mehr Sympathiepunkte bringen könnte.



14. Polen
Ochman "Rivers"

Ein wirklich starker polnischer Beitrag; Ochmans gute Stimme wirkt hier nicht eingesetzt wie ein Instrument, sondern passt sich symbiotisch der guten Komposition und dem guten Text an. Damit hebt sich das Lied von den Balladen mit männlichen Interpreten positiv ab.



15. Montenegro
Vladana "Breathe"

Wieder ein eher langweiliger Beitrag, bei dem Vladanas angenehme Stimme nicht genügend auffällt, um sich hervorzuheben.



16. Belgien
Jérémie Makiese "Miss you"

Mit dieser souligen Nummer hat Belgien in diesem Jahr ein Alleinstellungsmerkmal, und Jérémie erweist sich als guter Interpret dafür. Ich denke, er wird genügend Freunde finden, sie sich für das Lied erwärmen und für ihn anrufen.



17. Schweden
Cornelia Jakobs "Hold me closer"

Ich habe meine Schwierigkeiten mit der textlichen Aussage des Liedes - verstehe ich es richtig, Cornelia wird von ihrem Partner verlassen, bettelt aber um eine letzte gemeinsame Nacht? Tritt ihm in die Eier und lass ihn ziehen, Mädel! Wie in jedem Jahr hat der schwedische Beitrag viele Anhänger, und diese dürften dafür sorgen, dass das Finale sicher ist.



18. Tschechien
We are Domi "Lights off"

Vielleicht bin ich mit meinen 57 Jahren zu alt, um beurteilen zu können, was zeitgemäß ist, aber sollte ich gefragt werden, würde ich genau dieses Lied nennen. Mir gefallen Darbietung, Komposition und Rhythmus, und ich denke, dass dieser Beitrag perfekt als Abschluss des zweiten Halbfinals ist.



Wieder tippe ich, welche zehn Beiträge das Finale schaffen, wieder in Startreihenfolge:

Finnland
Israel
Serbien
Zypern
Estland
Rumänien
Polen
Belgien
Schweden
Tschechien

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Donnerstag, 5. Mai 2022
Erstes Halbfinale 2022
Die Teams haben ihre zweite Probe absolviert, und ich möchte wieder einmal meine Einschätzungen abgeben. Die Bilder und Videos, die nach außen (also auch zu mir) dringen, sind in diesem Jahr allerdings besonders spärlich und gelegentlich wegen ungünstiger Ausschnitte auch nicht sonderlich aussagekräftig. Zudem gibt es größere technische Probleme bei der Bühnendekoration und wohl auch bei der Akustik, und ein Corona-Fall bei der portugiesischen Delegation bringt den Zeitplan durcheinander. Aber wer sich an den ESC 1991 in Rom erinnert, weiß, dass die Italiener auch das größte Chaos irgendwie bewältigen, wenngleich es an den Nerven Angehöriger anderer Nationalitäten zehren mag.

1. Albanien
Ronela Hajati "Sekret"

Albanien liefert in diesem Jahr genau das, was ich aus diesem Land erwarte: Eine stimmgewaltige Sängerin, falsch betontes Englisch sowie rhythmische und ethnische Elemente. Hinzu kommen glücklicherweise genügend landessprachliche Teile, und das Ganze ist stimmig produziert, sodass ich für den Finaleinzug keine Probleme sehe. Dort dürfte es allerdings nicht allzu weit nach oben gehen. Und vielleicht gibt es ja auch einige Zuschauer, die gern eine Walküre mit ihren Haremswächtern sehen möchten.



2. Lettland
Citi Zēni "Eat your salad"

Hier bin ich ratlos, sowohl was die textliche Aussage als auch was die musikalische Umsetzung angeht. Gehören die Letten zu den militanten Veganern, die ihrer gesamten Umwelt ungefragt ihre Ideologie aufdrängen wollen, oder ist das ironisch gemeint, und ich verstehe es nicht? In beiden Fällen habe ich ein eher negatives Gefühl, und wenn es auch den Juroren und den Zuschauern so geht, sehen wir dieses Lied im Finale nicht noch einmal.



3. Litauen
Monika Liu "Sentimentai"

Ein Lied im Retro-Stil, optisch optimal umgesetzt, dazu in Landessprache - viele Punkte, die mich zunächst positiv stimmen. Ich habe Erinnerungen an Cocktail-Partys in den 1970ern. Allerdings passiert meiner Meinung nach, soweit ich das nach diesem Ausschnitt beurteilen kann, auf der Bühne zu wenig, und die an sich gelungene Melodie wirkt ohne weiteren Höhepunkt bald langweilig, sodass sich nach der Hälfte des Liedes schon so etwas wie Langeweile einstellen kann. Ein Weiterkommen ist zumindest kein Selbstgänger.



4. Schweiz
Marius Bear "Boys do cry"

Wie im Vorjahr setzt die Schweiz auf einen männlichen Solisten und eine Ballade. Doch während Gjon schon allein mit seiner Stimme überzeugen konnte und einen guten dritten Platz holte, wirkt Marius eher farblos, und ich denke, er wird es schwer haben, das Finale zu erreichen.



5. Slowenien
LPS "Disko"

Hier spielt sich vor meinem inneren Auge ein Film ab. Bei einem Abi-Abschlussball in Ljubljana, 1980er Jahre, spielt eine Schülerband, dem Anlass entsprechend festlich gekleidet, Musik im Stil von Style Council oder den Blow Monkeys. LPS (das steht für Last Pizza Slice) waren damals noch nicht auf der Welt, sie sind heute im Abiturienten-Alter, aber sie treffen zumindest den damaligen Musikgeschmack. Insgesamt sehr stimmig, aber vielleicht zu altmodisch und auch etwas zu langweilig, ich kann mich nicht genau entscheiden, wie ich die Chancen einordnen kann. Zudem finde ich die große Discokugel in der Bühnenmitte suboptimal, da sich die Bandmitglieder so gegenseitig nicht sehen können.



6. Ukraine
Kalush Orchestra "Stefania"

Wie im Vorjahr schafft es der ukrainische Beitrag, traditionelle Musik mit aktuellen Rhythmen zu verbinden, zusammen mit dem Rap-Teil ergibt sich eine perfekte Symbiose. Eine Qualifikation für das Finale dürfte nur eine Formsache sein, zumal das Lied in einigen Wettquoten sogar als Favorit gilt.



7. Bulgarien

Rock ohne weitere Anreize (sei es musikalisch oder optisch, Pyrotechnik ist ziemlich ausgelutscht) hatte es beim ESC immer schwer, und das dürfte auch für diesem Beitrag gelten. Ihm fehlt einfach das Zielpublikum, und dem Lied der besondere Kick, um dieses zum Einschalten (und Abstimmen) zu bewegen. Einen Finaleinzug halte ich für ausgeschlossen.



8. Niederlande
S10 "De diepte"

Ein schöner Beitrag, von S10 (sprich: Stien) gut gesungen und arrangiert, der seine Schönheit bei mir allerdings erst beim zweiten oder dritten Hören entfacht hat. Ich hoffe, bei anderen Zuhörern geschieht das schneller. Und auch wenn viele Menschen die niederländische Sprache nicht verstehen, könnte die Botschaft auch so funktionieren.



9. Moldau
Zdob şi Zdub & Fraţii Advahov "Trenulețul"

Zdob şi Zdub nehmen nach 2005 und 2011 bereits zum dritten Mal am ESC teil, und wieder versuchen sie, mit Ska und Turbo-Folk gute Laune zu verbreiten. Ich frage mich, ob nicht die Idee und auch die Musiker mittlerweile ein wenig in die Jahre gekommen sind, ein musikalischer Farbtupfer ist der Beitrag allemal.



10. Portugal
Maro "Saudade, saudade"

Saudade - das ist ein Wort, das nur auf Portugiesisch existiert und dort fast so etwas wie ein Lebensgefühl ist - ungefähr kann man es mit Sehnsucht, Heimweh oder Weltschmerz übersetzen. Maro und ihre Begleiterinnen vermitteln diese Stimmung sehr schön, und nach den fast überdreht klingenden Moldauern wirkt das Lied sehr beruhigend. Würde ich etwas Negatives suchen, würde ich den Vortrag vielleicht als langweilig und zu wenig ereignisreich bezeichnen, insgesamt überwiegt aber der Eindruck, dass es sich um ein stimmiges Gesamtes handelt.



11. Kroatien
Mia Dim?ić "Guilty pleasure"

Sorry, mein guilty pleasure kommt in diesem Jahr aus einem anderen Land - aus welchem, verrate ich an einer anderen Stelle. Kroatien bringt Radiopop ohne große Besonderheiten, das Lied ist nett - und 'nett' ist beim ESC schon fast ein Todesurteil.



12. Dänemark
Reddi "The show"

Ich stelle mir vor, dass jemand über rohen Kuchenteig Tomatenmark gibt - schade, aus beiden Komponenten hätte man getrennt voneinander brauchbare Ergebnisse fabrizieren können, so ergibt sich ein ungenießbares Gemisch. Die Däninnen versuchen es zuerst mit einer eher weichgespülten Melodie, um dann in Rockrhythmen zu wechseln - nicht Fisch, nicht Fleisch (so eat your salad!), fürchte ich.



13. Österreich
Lum!x feat. Pia Maria "Halo"

Schließe ich die Augen, dann denke ich an die 1990er Jahre, in denen ich zu 2Unlimited getanzt habe. Beim Hinsehen fällt mir ein DJ auf, der scheinbar wichtig an seinen Drehknöpfen hantiert, obwohl jeder weiß, dass sein Mischpult nicht angeschlossen ist, und das Publikum animiert (ist das wirklich nötig?), daneben eine Frau, die aussieht wie eine 18jährige Österreicherin, was wohl daran liegt, dass sie eine 18jährige Österreicherin ist. Ihre Stimme ist - wie drücke ich es nett aus - ausbaufähig. Dieses Lied funktioniert auf der Tanzfläche, bei der Darbietung auf der Bühne habe ich meine Zweifel. Mit Fake-Djs haben in den letzten Jahren u.a. schon die Polen und die Finnen schlechte Erfahrungen gemacht.



14. Island
Systur "Með hækkandi sól"

Die Isländerinnen bedienen eine ähnliche Zielgruppe wie die Portugiesinnen, aber ich finde sie im direkten Vergleich schwächer. Allerdings gilt auch hier, dass das Lied nach dem temporeichen Vorgänger beruhigend wirkt, zudem ist der Chorgesang sehr harmonisch.



15. Griechenland
Amanda Tenfjord "Die together"

Schwierig. Dieses Lied hat viele Anhänger, ich gehöre nicht unbedingt dazu. Mir ist das Lied zu blass und auch ein wenig zu negativ. Aber auch hier gilt, dass der Beitrag gut produziert und vorgetragen ist, sodass er genügend Stimmen sammeln könnte. Zudem wurde er optisch wirklich gut inszeniert. Sterben würde ich dafür allerdings nicht, auch nicht zusammen mit Amanda.



16. Norwegen
Subwoolfer "Give that wolf a banana"

Bevor er deine Oma frisst, gib dem Wolf eine Banane - allein diese Textstelle sorgt bei mir für gute Laune. Dieses Lied hat alles, was ein ESC-Beitrag braucht: Einen eingängigen Rhythmus, einen einfach zu merkenden Refrain, als optische Besonderheit die Kostüme, und nach den beiden eher ruhigen Nummern vorher ist dieser Beitrag wieder einer, der diverse Körperteile zum Schwingen bringt.



17. Armenien
Rosa Linn "Snap"

Vor meinem geistigen Auge sehe ich eine Konfirmandengruppe am Lagerfeuer. Ein Mitglied singt ein erbauliches Lied zur Wandergitarre, und beim Refrain stimmen alle mit ein. Ich weiß nicht, ob beim ESC die richtige Zielgruppe vorhanden ist. Allerdings ist die Melodie sehr eingängig, ich habe mich schon dabei ertappt, dass ich das Lied im Supermarkt vor mich hingesummt habe. Die tatsächliche Umsetzung entspricht meinen Vorstellungen überhaupt nicht, auf mich wirkt sie eher farblos.



Ich denke, dass sich diese zehn Lieder für das Finale qualifizieren (in Startreihenfolge):

Albanien
Litauen
Ukraine
Niederlande
Moldau
Portugal
Island
Griechenland
Norwegen
Armenien

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Sonntag, 3. April 2022
Sieg der Ukraine?
Wie in den vergangenen Jahren werde ich meine Einschätzung zu den einzelnen Wettbewerbstiteln erst nach den Einzelproben beim ESC, also wenige Tage vor den jeweiligen Wettbewerben, veröffentlichen. Momentan startet allerdings eine Diskussion, zu der ich auch einen Kommentar abgeben möchte. Es geht darum, dass die Ukraine schon jetzt einen "moralischen Sieg" errungen habe und schon wegen des Umstands, dass die Interpreten trotz der Umstände in ihrem Land live in Italien auftreten wollen, gewinnen sollten. Erste Wettquoten weisen auch bereits darauf hin, und immer mehr Beobachter und auch Teilnehmer (wie Malik Harris, der für Deutschland antritt) haben sich entsprechend geäußert.

Meine erste Äußerung dazu lässt mich vielleicht als hartherzig oder als Besserwisser erscheinen, aber der ESC bleibt ein Liederwettbewerb, und der Sieg sollte an die beste Komposition gehen, nicht an das Land, das es vermeintlich "am meisten verdient" hat. Aber insbesondere: Mit dem Sieg ist auch die Berechtigung verbunden, den nächsten Wettbewerb auszurichten. Hiervon haben seit 1981 alle Länder Gebrauch gemacht. Möchten wir diese Kosten tatsächlich der stark gebeutelten Ukraine zumuten? Und: Ist es für die Interpreten, Teams und Besucher tatsächlich ein Vergnügen, dort im nächsten Jahr den ESC auszutragen?

Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, die Ausrichtung abzulehnen, aber welches Zeichen würde gesetzt, wenn die Ukraine den ESC 2022 gewinnt, die Veranstaltung 2023 aber z.B. in London, Paris oder Madrid stattfindet?

Nach momentaner Enschätzung gibt es eine Handvoll Lieder, die den ESC 2022 gewinnen können, und auch die Ukraine gehört zum erweiterten Favoritenkreis. Ich hoffe allerdings in ihrem eigenen Interesse, dass sie nicht siegt. Auch Platz 2 (3,4,...) ist ein schöner Erfolg, und dieser wäre dem Land im Endeffekt sicher lieber als der "Grand Prix Eurovision", wie er früher einmal hieß.

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Dienstag, 29. März 2022
Startreihenfolge der Halbfinalrunden 2022
Die Startreihenfolgen für die Halbfinalrunden wurden bekanntgegeben; aus beiden qualifizieren sich jeweils zehn Beiträge für das Finale.



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Dienstag, 22. März 2022
Alle Beiträge 2022
Es ist soweit, Russland wurde vom ESC 2022 suspendiert, und kurz darauf kündigten alle Sender des Landes die Mitgliedschaft bei der EBU. Es verbleiben 40 Teilnehmer am diesjährigen Wettbewerb, und diese haben mittlerweile alle ihre Beiträge ermittelt. Hier sind sie:



Die Startreihenfolge für die Halbfinalrunden wird in wenigen Tagen bekanntgegeben und natürlich auch hier veröffentlicht.

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Dienstag, 25. Januar 2022
Auslosung 2022
Die erste Auslosung der Saison 2022 fand statt, in Turin wurde ermittelt, in welchem Halbfinale und dort in welcher Hälfte die Beiträge antreten. Zudem wurde bestimmt, für welche der beiden Runden die "Big 5", also die Länder, die direkt für das Finale qualifiziert sind, abstimmungsberechtigt sind.

Im ersten Halbfinale treten an:

1. Hälfte:
Albanien
Bulgarien
Lettland
Litauen
Moldau
Niederlande
Schweiz
Slowenien
Ukraine

2. Hälfte:
Armenien
Dänemark
Griechenland
Island
Kroatien
Norwegen
Österreich
Portugal
Russland

Stimmberechtigt sind Frankreich und Italien.

Im zweiten Halbfinale treten an:

1. Hälfte:
Aserbaidschan
Australien
Finnland
Georgien
Israel
Malta
San Marino
Serbien
Zypern

2. Hälfte:
Belgien
Estland
Irland
Montenegro
Nordmazedonien
Polen
Rumänien
Schweden
Tschechien

Stimmberechtigt sind Deutschland, Spanien und das Vereinigte Königreich.

Alle Angaben erfolgen in alphabetischer Reihenfolge.

Die genaue Startreihenfolge wird nach, wie es heißt, dramaturgischen Gesichtspunkten festgelegt, nachdem alle Beiträge bekannt sind.

Die Saison der Vorentscheidungen nimmt langsam Fahrt auf, bisher wurden drei der 41 Beiträge veröffentlicht, der Rest wird bis Mitte März folgen.

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Mittwoch, 20. Oktober 2021
Teilnehmer 2022
Wie die EBU gerade mitteilte, befinden sich 41 Länder auf der vorläufigen Teilnehmerliste für den ESC 2022; hierbei handelt es sich um alle 39 Nationen, die auch 2021 am Start waren, hinzu kommen Armenien und Montenegro, die beide zuletzt 2019 teilnahmen.

Wie immer kann sich an dieser Liste noch etwas ändern, Absagen oder auch Ausschlüsse sind möglich. Eine von einigen Beobachtern erwartete Rückkehr der Türkei und Ungarns scheint es allerdings nicht zu geben.

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Freitag, 8. Oktober 2021
ESC 2022 - ESC 1972
2022 soll der ESC zum dritten Mal in Italien stattfinden; nach Neapel 1965 und Rom-Cinecittà 1991 ist Turin als Austragungsort geplant, als Datum werden der 10.5., 12.5. und 14.5.22 genannt - sofern nicht wieder Corona oder andere unvorhergesehene Ereignisse dem Wettbewerb wieder einen Strich durch die Rechnung machen.

Ich denke, es ist wieder Zeit für einen Rückblick auf die Situation vor 50 Jahren. Damals machten Vicky Leandros und ihr Team dem Deutschen Fernsehen ein Angebot: Sie seien bereit, das Land mit "Dann kamst du" zu vertreten, allerdings nur, wenn sie sich keiner Vorentscheidung stellen müssen. Eben diese war aber schon in Planung, und so sagte die ARD dankend ab - auf Vicky kommen wir später zurück.

Die Vorentscheidung fand in Berlin statt und war erstmals eine Koproduktion des Hessischen Rundfunks mit dem Sender Freies Berlin und hatte dementsprechend auch zwei Moderatorinnen. Zwölf Lieder stellten sich in einer ersten Runde der zehnköpfigen Jury, die drei Lieder mit den meisten Stimmen qualifizierten sich für eine Finalrunde, in der sie nochmals bewertet wurden. Wegen einer Punktgleichkeit waren dort vier Lieder zu hören.

Zu den Interpretinnen und Interpreten, die bereits in der ersten Runde ausschieden, gehörten Marion Maerz, Olivia Molina, Edina Pop und Peter Horton, der 1967 bereits Österreich vertreten hatte. Im Finale siegte dann Mary Roos; ihr Lied "Nur die Liebe lässt uns leben" hatte nur einen Punkt Vorsprung vor "Geh die Straße", gesungen von Cindy&Bert und "Glaub an dich selbst", interpretiert von Su Kramer. Auf Platz vier landeten Inga&Wolf mit "Gute Nacht Freunde". Auch ein Blick auf die Autoren lohnt sich: Klaus Doldinger schrieb Marion Maerz' Lied, für Inga&Wolf war Reinhard Mey (zunächst unter Pseudonym) der Texter und Komponist, und erstmals war auch Ralph Siegel vertreten, sogar mit zwei Beiträgen.

Die Vorentscheidung war schon vor dem internationalen Wettbewerb ein großer Erfolg, da nicht nur Mary Roos, sondern auch Cindy&Bert und Inga&Wolf kommerziell erfolgreich waren.







Ob die Textzeile "Was ich noch zu sagen hätte dauert eine Zigarette" wohl heute noch so geschrieben würde?

Der internationale ESC fand am 25. März 1972 statt; Monaco, das im Vorjahr gewonnen hatte, verzichtete auf die Ausrichtung, so dass wieder einmal das Vereinigte Königreich einsprang; Austragungsort war Edinburgh.

Exakt die gleichen Länder wie 1971 waren am Start; auffällig war, dass sich sechs von ihnen, also ein Drittel, entschieden, ein Duo zu entsenden; drei davon belegten allerdings die letzten drei Plätze, und nur eines erreichte die ersten 10 - dieses war allerdings auch nach dem ESC kommerziell in einigen Ländern erfolgreich: Sandra&Andres belegten für die Niederlande mit "Als het om de liefte gaat" Platz 4, international sangen sie das Lied auf Englisch ("What do I do?"), auch die deutsche Version "Was soll ich tun?" wurde ein kleiner Hit.



Österreich erinnerte mit "Falter im Wind", interpretiert von den Milestones, an die Folkmusik der späten 1960er Jahre und schnitt mit Platz 5 unerwartet gut ab.



Deutschland belegte zum dritten Mal hintereinander Platz 3, woran sicher auch der Dirigent und Arrangeur Paul Kuhn einen Anteil hatte. Die vor dem ESC international bekanntesten Sänger kamen wieder einmal aus dem Vereinigten Königreich: Die New Seekers belegten mit "Beg, steal or borrow" Platz 2.



Und Vicky Leandros? Nach der Absage durch das deutsche Fernsehen fragte sie in Luxemburg nach; sie hatte das Land schon 1967 vertreten. Dort bekam sie eine Zusage, das Lied erhielt einen französischen Text, und "Après toi" gewann den ESC.



Muss sich das deutsche Fernsehen wegen des verpassten Sieges ärgern? Ich denke nein; einerseits ist nicht sicher, ob den Jurys der deutsche Text genauso gut gefallen hätte wie der französische, andererseits war die Vorentscheidung auch in kommerzieller Hinsicht ein so großer Erfolg, dass die ARD damit viele Pluspunkte sammeln konnte - insgesamt also meiner Meinung nach eine Win-Win-Situation. Und einen deutschen Sieg gab es ja auch, denn der Komponist des Siegertitels, Klaus Munro, war schließlich Deutscher.

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Sonntag, 23. Mai 2021
Nach dem Finale 2021
Wieder einmal ist ein ESC Geschichte, und ich muss sagen, ich habe mich gut unterhalten - und fast so gut getippt wie vor zwei Jahren. Zwar lag ich beim Sieger falsch, aber vier meiner Top 5 haben im tatsächlichen Ergebnis nur einen Platz besser oder schlechter abgeschnitten als von mir vorausgesagt, das gilt auch für den deutschen Beitrag. Lediglich Litauen beendete den Wettbewerb drei Plätze schlechter als von mir prognostiziert, dafür war Gjon aus der Schweiz vier Ränge besser, was mich sehr freut - ich mochte das Lied und die Stimme immer, hatte aber befürchtet, dass die - nennen wir es - experimentelle Darbietung Punkte kosten könnte.

Zwar fand ich wieder, wie mehrmals in den letzten Jahren, dass vier Moderatoren einfach zu viel sind, insgesamt möchte ich dem niederländischen Fernsehen aber ein großes Lob für die Organisation aussprechen. Der ESC hat gezeigt, dass auch in Corona-Zeiten Großveranstaltungen möglich sind, die Anzahl der positiven Tests war verschwindend gering, dass es hierbei auch Akteure traf, ist bedauerlich, ändert aber am Gesamteindruck nichts. Und auch hier Respekt für die Niederländer, die alle kurzfristigen Programmänderungen souverän gemeistert haben.

Zwei 'Big 5'-Länder auf Platz 1 und 2 - das hatten wir seit Einführung dieser Regel noch nicht, die übrigen drei auf den hinteren Tabellenplätzen - das hingegen ist nichts Neues. (Neu ist allerdings, dass gleich vier Lieder keinen einzigen Punkt vom Televoting bekamen.) Mein herzlicher Glückwunsch geht nach Italien, und nach Frankreich möchte ich ein genauso herzliches Dankeschön senden - ich mochte das Lied immer, aber im Finale kam es mir so vor, als legte Barbara ihre gesamte Seele dem Publikum zu Füßen. Ich verfolge den ESC seit 50 Jahren, aber ich glaube, so sehr hat mich noch kein Beitrag bewegt.

Stimmliche Probleme habe ich bei den Beiträgen aus Zypern und dem Vereinigten Königreich gehört - letzterer wurde mit 0 Punkten abgestraft, und bevor entsprechende Mutmaßungen laut werden: Nein, es lag weder am Brexit noch am Impfneid, die Darbietung war einfach grottenschlecht.

Wegen der optischen Tricks wird der griechische Beitrag gelegentlich mit dem russischen Lied 2016 verglichen, aber gegen die faszinierende Darbietung von Sergej Lazarev wirkte Stefanias Show zu vorhersehbar, zudem waren gelegentlich Schatten zu sehen, was die optische Illusion zusätzlich störte. So ist Platz 10 noch ein recht tröstliches Ergebnis.

Das kann man San Marino nicht bescheinigen, auch US-Star Flo Rida sorgte nicht für die erhofften Punkte. Dass das Lied so schlecht abschneidet (Platz 22), hätte ich nicht erwartet - eine weitere meiner Prognosen, die ich hier nicht veröffentlicht habe, nämlich, dass San Marino und Litauen das beste Ergebnis ihrer ESC-Geschichte erzielen, bewahrheitete sich somit nicht.

Übrigens wurde nur eines der Top 5-Lieder auf Englisch gesungen, vielleicht denken die Verantwortlichen in den DACH-Ländern darüber nach, mal wieder einen Beitrag auf Deutsch zu entsenden.

Mich hat das Wiedersehen mit früheren ESC-Siegern sehr gefreut, schön, dass man ihnen noch einmal eine so große Bühne gegeben hat.

1965 fand der ESC in Neapel statt, 1991 in der Cinecittà bei Rom, bald werden wir erfahren, welche italienische Stadt der Austragungsort 2022 sein wird. Bis dahin werde ich noch oft den dänischen Beitrag in Endlosschleife hören und mich mit dem Werk von Barbara Pravi beschäftigen - ansonsten gilt: Nach dem ESC ist vor dem ESC (selbst wenn es zwei Jahre dauert). Arrivederci!

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